Jetzt habe ich es tatsächlich geschafft, mehr als zwei Monate nur einen Tag zu beschreiben! Dann ist nun die Zeit gekommen, über etwas anderes zu schreiben. Zum Beispiel über eine Bus(ch)fahrt nach Arusha am Kilimanjaro.
Alles ist gepackt und das Taxi, das gerufen wurde kommt ausgerechnet heute pünktlich um 10 vor sieben. Eigentlich ja gut, aber heute hat man natürlich Magenprobleme, muss aufs Klo, muss sich von der gesamten Hausgemeinschaft verabschieden und noch Zähneputzen. Nun gut. Afrika heißt Improvisieren!
Das Geraffel also ins Taxi gestopft, Deckel zu, ab gehts. Während man auf den Busabfahrtsplatz (“Bus stendi”) auffährt, schaut man hektisch alle Busse an und hofft eigentlich bei jedem: Lass es nicht dieser Bus sein, bitte! Das Taxi hält vor einem grünen Bus auf dem in goldenen Lettern über der Windschutzscheibe steht: “In Allah we trust”. Ich wäre kaum beruhigter wenn da stände “In God we trust”. Nach den ersten paar Metern wird einem dann auch klar, dass man keine andere Möglichkeit hat, als in höhere Mächte zu vertrauen, da weder Bus noch Fahrer ein Vertrauen erwecken, das man nutzen könnte. Doch zunächst wird das Gepäck mal „sicher“ im Gepäckabteil im Unteren des Busses verstau(b)t. Dabei wird einem natürlich tatkräftig geholfen und einem mehr von der Hand genommen als man eigentlich will. In den Bus gehievt sucht man seinen Platz, Sitznummern gibt es, stehen auf dem Ticket! Man sollte immer zu zweit oder zu dritt reisen. Nie allein. Nicht wegen der möglichen Kriminalität, sondern weil man dann einen einzelnen Platz hat und nicht weiß, wer oder was neben einem sitzt: Ein Huhn, Ein Kind, ein Huhn mit Kind, eine afrikanische Mama mit ooordentlich Sitzfleisch, dass sich auch über den eigenen Sitz verteilt oder einem den Blutfluss in den Oberschenkeln abdrückt. Also zu zweit. Besser isses.
Wenn man seinen Platz gefunden hat, schickt man kurz das Wesen (Mensch oder Tier) weg, das sich bereits auf dem Platz breit gemacht hat und setzt sich selbst auf seine vier Buchstaben. So, geschafft. Nach fünf Minuten (der Bus fährt natürlich noch nicht), beginnt einen die bekloppt platzierte Säule zwischen/neben den Beinen anzunerven und man sieht sich selbst schon die ganze Busfahrt darüber aufregen, aber so ist das jetzt eben. Punkt!
Die Gefahr, dass man während der Busfahrt überfallen wird besteht natürlich. Wird der ganze Bus von Banditen angehalten, so steht man als Weißer schon etwas blöd und offensichtlich da. Egal ob man jetzt dazu ansetzt man sei Lehrer, der aber kein Geld verdient blablabla… Dann hat man Pech und gibt besser alles her. Wahrscheinlicher ist es aber, dass Mitfahrer sich eventuell an einem bereichern wollen, aber eigentlich auch selten. Auf jeden Fall ist es sinnvoll, gleich zu Beginn der Fahrt Kontakt zu Mitfahrern oder dem Fahrer aufzunehmen. Einfach nur Hallo sagen, auf Swahili gibt es dafür nun wirklich genug Möglichkeiten. Also umgeschaut, ich sitze in der ersten Reihe im Bus. Ich spreche die zwei nett aussehenden Männer im Sitz gegenüber an. Sie grüßen sehr freundlich zurück. Es sind zwei alte Muslime (mit Gehstock und Islam-Käppchen). Richtig goldig sehen sie aus mit ihrem zerknitterten Gesicht, kaum Zähnen und einem seligen Grinsen. Einer kann zu meinem Erstaunen sogar Englisch, das erleichtert die Kommunikation erheblich. Nach einem kurzem Austausch über das Reiseziel und die Herkunft („The Germans, ha! They ruled us very hard during colonialism!“ – „Yes, well, hm…“) kann ich sagen, ich habe meine Freunde für die Bus(ch)fahrt gefunden. (Die Freundschaft wird vertieft, als ich später eine Banane geschenkt bekomme und einen Keks zurückgebe.)
Tja, sehr gut gemacht Mr. Luisi: Die zwei ältesten und schwächsten Passagiere im Bus angequatscht, die einen bestimmt vorm bösen schwarzen Mann beschützen können und keinerlei Waffen als ihren Gehstock und vielleicht einen Koran in der Westentasche haben. Und natürlich Bananen. Nein, verdammt, die schenkt er ja später mir. Alles verloren! – Nein natürlich nicht, muss ja nicht so kommen.
Inzwischen hat sich der Bus auch bis zur Schranke bewegt, das muss genügen. Erste Pause für zehn Minuten. Grund ist unbekannt. So, aber jetzt beginnt die Fahrt aber dann doch.
Man könnte denken, dass man sich in einer Stahlraffinerie befindet. Alle Arten von Pfeifen, Quietschen, Rattern, Ächzen und Donnern bekommt mein Trommelfell zu spüren. Die Stoßdämpfer werden auch nicht mehr die Besten sein und ein Achsbruch mitten im Nirwana scheint vorprogrammiert. Nach drei Minuten Fahrt, beginne ich mir etwas Gedanken um den schwarzen Rauch zu machen, der unter dem lose befestigten Brett vor mir hervorkriecht. Während ich noch überlege, ob das entweder die giftigen Abgase des Vehikels oder die Bremsschläuche sind, die beginnen durchzuschmoren, halten wir das erste mal. Wir sind nicht mal aus der Stadt herausgekommen bisher. Drei neue Fahrgäste besteigen den Bus, hm und ich dachte der würde nonstop gehen. Zwei Minuten später halten wir wieder. Schon wieder neue Gäste. Und diesmal sehe ich es: Der Bus hält nur, um unauffällig an seinem Motor rumzubasteln. Ein drahtiger Tansanier mit Wollmütze und von Öl versifften Klamotten und Händen hängt kopfüber zwischen den Reifen, der Boden im Bus ist ja praktischerweise herausnehmbar. Naja, die Pause währt nicht lange aber es sollten weitere folgen…
Während man versucht möglichst wenig zu atmen, zu schwitzen und irgendwie den Lärm ignorieren, ziehen draußen Hütten und Dörfer mit ihren Bewohnern am Fenster vorbei, kreuzen Hühner/Kühe/Esel/Ziegen die Straße und man sieht wie die Landschaft mit der Regenzeit seit September schnell saftig grün geworden ist.
Dann verlässt man nach eineinhalb Stunden leider die schön geteerte Strecke und weicht auf eine Holperpiste aus. Diese befährt man nun für die nächsten vier oder fünf Stunden. Und was einen dann so richtig auf 184 Grad bringt, ist die Tatsache, dass man die gesamte Zeit sieht, wie neun Meter neben der besagten Holperpiste eine neue, perfekt geteerte Straße gebaut wird. Kleine lustige Chinesen mit weißen Käppis springen oder fahren hier mitten im Nirgendwo herum, wedeln mit Plänen und leiten den Bau der neuen Verbindungsstraße zwischen Arusha und dem Zentrum des Landes, die leider erst in zwei Jahren fertig sein wird. Nicht jetzt, wenn ich fahre.
Das zweite Mal rege ich mich auf – das kann ich gut – als der Bus für die zweite (geplante) Pause auf einem Busbahnhof hält. Ich möchte aufs Klo, kämpfe mich aus dem Bus, suche nach dem stillen Örtchen und finde es unverschämt für ein Loch ohne Wasser (Waschbecken ja, aber halt kein Wasser) 100 TSH (etwa 8 Cent) zu zahlen. So steht es geschrieben. Angekommen, werden natürlich 200 TSH von mir verlangt. Ich fühle mich rassistisch beleidigt, versuche auf Swahili zu erklären (dafür reicht es inzwischen), dass wenn man 200 TSH verlangt, das auch hinschreiben sollte und zahle im Endeffekt eben doch, weil ich muss nun mal!
Naja, wieder aufgesprungen und weiter geht es.
Endlich in Arusha angekommen, stoppt der Bus einige Minuten vor dem Zentrum, warum weiß keiner. Als ob dieser Gammelbus nicht noch die letzten Meter bis zur Busstation schaffen würde! Also, Gepäck rausgehievt (der Koffer war mal schwarz, jetzt in schönem erd-braun) und ab in den nächsten Bus.
Und jetzt ist es geschafft. Die Bus(ch)fahrt ist vorüber. Da blickt man mit Freuden in die leuchtenden Augen eines Taxifahrers, der einem Alles abnimmt was er kann, um einen ins Hotel zu fahren, einem drei verschiedene Safaris anbietet und zu Sicherheit Telefonnummer und Name auf einer „Visitenkarte“ hinterlässt.
Im Hotel angekommen, verstaut man das Gepäck, schwört sich nie mehr in diesem Land zu reisen und kann dann doch irgendwann über die Bus(ch)fahrt schmunzeln. Sie ist ja vorbei.